Ich denke, jeder macht die eine oder andere ähnliche Erfahrung. Zum einen ist es schade, dass sich das wiederholt, andererseits zeigt auch die Erfahrung, dass selbst Personen die einem lieb und nahe sind, Rat nur bedingt annehmen. Jeder macht eben seine eigenen Fehler und muss diese wohl auch machen. Am Anfang ist immer alles neu und gerade im SM-Bereich auch spannend. Sexualität fasziniert nun mal. Und es gibt halt nicht den BDSM – man kann das nicht lernen. Kontakte, die behaupten, das müsse so und so sein, die maßen sich da einiges an. Aber woher soll man das am Anfang auch wissen? Das begreifen ja manche Szene-Leute aus München nach Jahren noch nicht mal. Und sollte man nicht alles auch mal ausprobiert haben, bevor man darüber urteilt? Sich auch auf Dinge einlassen, die einem zu extrem scheinen. Soll man sich ganz und gar auf eine D/s-Geschichte – auf TPE einlassen. 

Im Kopf klingt vieles spannend und vermutlich kann es auch in der richtigen Konstellation auf Dauer aufregend sein. Aber mit den Jahren lernte ich für mich, dass ich eigentlich viel weniger brauche, es geht um Qualität und nicht um Quantität. Ausgiebige Gespräche mit anderen zeigen, dass es wahrlich nicht nur mir so geht. Niemand ist ein Hellseher, weder Sub noch Top. Reden hilft, aber Nähe macht manche SM-Konstellation schwierig.

Manche Devote brauchen ein gewisses Machtgefälle und die Distanz

Einige wollen mehr als nur eine gespielte Session (in der würde schon das simple Ampel-System helfen – Gelb wäre dann das Zeichen, jetzt doch lieber was anderes zu machen, weil dass gerade nicht mehr guttut), aber das setzt voraus, dass man sich kennt, das der dominante Part nicht nur sein Kopfkino hat, sondern auch weiß, was der andere aushält. Empathie und gemeinsame Zeit sind da unerlässlich, gerade wenn es extremer wird. Ich vermute, dass jeder der länger in der SM-Szene unterwegs ist, diesen Worten mehr oder minder zustimmt. Aber würde es etwas ändern? Vermutlich nicht, mit den Jahren kommt man zur Erkenntnis, dass es nur um einen selber geht und die BDSM-Szene leider oft sehr oberflächlich ist. Diejenigen, die merken, dass sie mehr Tiefe brauchen, ziehen sich dann oft zurück und so speist sich die Szene aus vielen neuen Leuten, aber verliert erfahrene Personen, die diese Erfahrungen auch weitergeben könnten.

Eine Frau präsentiert sich in ihrer SM-Welt

Solange dieses Milieu auch mehr ist, als ein Sammelbecken von Kontakten mit ähnlicher Neigung, nämlich eine Szene, zu der man gehören kann (und gehören möchte), die eine Gemeinschaft mit vermeintlich simplen Regeln ist (Kleidung, Parties, feste Treffpunkte, Symbolik usw.), eben etwas Identitätsstiftendes, wird sie immer Menschen anziehen, die nicht so tief ergründen, was in ihnen steckt, sondern nur sehen, was sie an der Oberfläche bietet. Und dann kommt es zu den Kommentaren und dieser Reduzierung auf was man als Sklave/Sklavin aushält. Du hast für Dich den Weg gefunden, die Frage ist, wie man es für andere, die neu in dieser Lebenswelt sind, leichter machen könnte.

Es war sicherlich nicht einfach für dich, diesen Text zu schreiben und hier zum Lesen zur Verfügung zu stellen. Ich bewundere diesen starken Schritt. Du sprichst damit ein Problem an, das viele andere an deiner Stelle einfach immer weiter in sich hineingefressen hätten, aus Angst sich irgendwie zu blamieren oder einen Imageschaden zu erleiden, nicht mehr zum „höher, weiter, schneller“ dazuzugehören. Ich erinnere mich an die Tage, als meine Timeline voller grün und blau geschlagener Hinterteile, Oberschenkel, etc. war. Damals habe ich mich auch gefragt, ob da nicht einfach einige auf Trophäenjagd waren, gar nicht auf der Suche nach einem schönen SM-Spiel, nach einer tollen Erfahrung, sondern einfach nach blau-grünen Flecken.

Gewisse Körperbereiche, die man abfotografieren und in die virtuelle Vitrine stellen kann. Ein „das habe ich durchgehalten“ für die ganze Welt – oder zumindest für die Münchner Kollegen, die es sich anschauen können. Ob da nicht der größere oder dunklere Fleck gewissermaßen dem größeren Pokal im Wohnzimmerschrank entsprach, wie viel „sich mit anderen vergleichen“ dabei war. Ich hatte da durchaus den Eindruck, eines Wettkampfes. Natürlich möchte ich hier niemandem absprechen, sehr hart zu spielen und die Spuren glücklich durch die Welt zu tragen oder abzulichten. Gerade der Masseneffekt machte mich ein wenig nachdenklich, dieses „hinausschreien“ in diesem Umfang.

Mittlerweile sehe ich solche Bilder übrigens kaum noch – und so blöd es vielleicht klingen mag, manchmal habe ich den Eindruck, dass es einfach daran liegt, dass meine Freundes- und Kontaktliste im Durchschnitt älter geworden ist. Erfahrungswerte bezüglich Dominas finde ich sehr wichtig. Ich erinnere mich an einen Abend auf einer Playparty, als ich mit einer Frau kabbelte und sie nach einer Weile spielerischen Kampfes irgendwann fesselte. Ein älterer Herr meinte anschließend, sie sei mir ja ganz schön auf der Nase herumgetanzt. Offenbar habe ich nicht seine Erwartungshaltung an dominante Frauen erfüllt, war ihm vielleicht zu „weich“. Auf der anderen Seite: Ich hatte meinen Spaß, die Lady auch. Warum sollte ich also „härter“ spielen, was auch immer das heißen mag?

Das ist meines Erachtens ein gutes Beispiel, wie es auch bei Doms Erwartungshaltungen gibt

Und nicht nur manchmal habe ich den Eindruck, dass es bei Femdoms genauso viele Trophäensammler gibt wie bei Subs. Interessant ist hierbei, dass sich offenbar einige so verhalten, um für Subs besonders hart (und damit „interessant“) zu wirken und umgekehrt einige Subs besonders „belastbar“ wirken wollen. Sinnvoll finde ich das nicht. Meine Ansicht dazu ist einfach: Tut das, was allen Beteiligten Spaß macht. Es ist doch völlig egal, was andere davon halten – es ist euer Spiel, nicht das der anderen Leute. Letztens sah ich in München ein junges Pärchen ganz locker und lachend miteinander spielen und musste lächeln. Den beiden war einfach egal, was um sie herum geschah, sie hatten sich und ihren Spaß – keine Jagd nach irgendeinem Image, einfach nur Fun. So etwas zu sehen freut mich. Übrigens habe ich auch dabei den Eindruck, dass immer mehr Menschen in meinem Umfeld sich eine solche „mein Spiel, mir doch egal, was andere davon halten“ Meinung zulegen.

Mir fällt nichts ein was diese Mischung aus Gedanken und Gefühlen, die der Userbeitrag bei mir hervorgerufen hat, besser beschreibt. Eigentlich wollte ich nur kurz schauen, worum der Text handelt, um zu entscheiden, ob ich ihn lese, befand mich aber sofort in einer Art Sog und habe jetzt auch wirklich einen Drang diesen Artikel kommentieren zu müssen. Bei dem ersten Abschnitt kam mir in den Sinn, was ich kürzlich zu einem Blogpost von einem User aus Bayern geschrieben hatte. BDSM kann so etwas wie eine Happy-Pille sein. Es kann helfen, für einige Zeit ein Hoch zu haben in dem man die Kraft hat die Ursache für das Tief zu beseitigen. Ich finde, der Text beschreibt einen Verlauf, wie man ihn von schädlichen Drogen nur allzu gut kennt.

Vor allem ruft es in mir aber auch eine neue Achtsamkeit hervor. Beim Lesen der Kommentare ist mir bewusst geworden, dass ich mich vielleicht auf der anderen Seite des Spektrums in einer ähnlichen Spirale befand. Einer wesentlich leiseren Spirale. Ich hatte vor einiger Zeit einen Text darüber veröffentlicht, dass ich mich nicht mehr richtig zugehörig fühle, weil ich mit meinen Rohrstockschlägen keine 4-farbigen Spuren erzeugen möchte. Bei einigen Meinungsäußerungen im Internet kristallisierte sich heraus, dass ich offenbar versuchte der „höher, schneller, weiter“ – Mentalität zu folgen. Wenn BDSM hilft sich weiterzuentwickeln und man sich selbst damit an neue Grenzen heranbringt und diese dann überwindet, kann es sicherlich gut sein. Deshalb besinne ich mich wieder aufs Bondage, wo ich gerne Neues lerne und meine Fähigkeiten ausbauen möchte.

Trotzdem bemerke ich von Zeit zu Zeit noch, wie ich wieder das Gefühl bekomme vermeintlichen Erwartungen nicht zu entsprechen, weil ich nicht der Bilderbuch-Elite-Dom sein kann, der hart durchgreift. In der Szene wird ja auch viel gesprochen und noch mehr getratscht. Dem kann man sich ja beinahe gar nicht entziehen. Wenn der Begriff Domina bzw. Herrin in München fiel, wurden immer Stimmen laut in der Richtung „Ja, die teilt ganz schön aus“, aber eben auch in der Richtung „Da musst du schon einiges leisten, sonst ist die nicht zufrieden!“. Natürlich fielen solche Dinge auch noch bei anderen Kontakten. Bei mir hat das immer das Gefühl hinterlassen „Okay, ein weiterer Name auf der Liste der Personen, für die du nicht gut genug bist/wärst“. Im Zusammenhang mit diesem Text hier fühle ich mich fast ein bisschen naiv.

Ich beginne mich zu fragen, wie viele Femdoms sich sogar von ihren Subs überfordert fühlen, während die gleichzeitig auch überfordert sind und wie viele Leute so harte Spiele wirklich in voller Tiefe genießen. Ich danke dir jedenfalls vielmals für diese Offenheit in deinem Beitrag. Gerade wer dich aus der SM-Szene kennt, wird wissen, dass das hier nicht unbedingt typisch für dich ist. Ich nehme an, dass es dich viel Überwindung gekostet hat. Ich hoffe sehr, dass die beschriebenen Erkenntnisse dir helfen, einen gesünderen Weg für dich selbst zu finden. Und vielleicht hilft es auch anderen. Ich jedenfalls habe jetzt einige Ansichten, die ich noch mal ganz strikt prüfen werde.