Akzeptanz SM-Szene: Junge Femdom »mein Dominanz-Spektrum«

Auf einer Konferenz hatte ich einige Erlebnisse, die ich misogyne Aggressionen nennen würde. Das Problem ist nicht einer der Vorfälle allein, sondern die Summe. Ich weiß, dass die meisten beteiligten Femdoms keine bösen Absichten hatten, aber das ändert wirklich nichts am Effekt. Ich habe mich seit Ewigkeiten nicht mehr so verunsichert in meiner Fähigkeiten und meiner Dominanz gefühlt – oder so verletzlich in meiner Femininität. Ich denke, das Problem besteht in der Überschneidung, auf eine gebrochene Art feminin, jung und dominant zu sein.

Wenn einer dieser Faktoren aus der Mischung herausgenommen wird, fängt es vermutlich an besser zu werden. Das ist zumindest der Standpunkt von meiner Freundin Malia. Mit „gebrochener Femininität“ meine ich eine Femdom Performance die mit Widersprüchen spielt, Spannungen einbaut, selbst gewählt ist und auf Übertreibung verzichtet. 

Das ist eine ungewöhnliche Strategie, Geschlechter-Stereotype zu brechen, die in der SM-Szene in meinen Augen nicht wahrgenommen wird. Die unkonventionellen und widersprüchlichen Teile werden großenteils übersehen. Es ist, als würden die Leute nur das sehen was sie erwarten und sehen wollen, wenn es um Femininität geht.

Es gibt erheblich weniger Vielfalt und Akzeptanz von femininen Performances im Gegensatz zu maskulinen. Viele Leute reagierten sehr überrascht, wenn ich ihnen gesagt habe, dass ich als Top spiele. Es scheint eine starke Vorannahme zu geben, dass du entweder irgendwo im genderqueer/Male-Spektrum verortet sein musst, oder du musst „High Femme“ mit Overknee-Heels performen, um als Domme/Top anerkannt zu werden. Es scheint nur sehr wenige Möglichkeit zu geben, jung, entspannt, freundlich und feminin zu sein und als möglicherweise dominante Person wahrgenommen zu werden.

Dieses Fräulein hat einen Lederfetisch

Das lässt mir letztlich nur vier unattraktive Möglichkeiten:

  1. Stereotype Femme-Domme Stile und/oder sexistische Stereotype reproduzieren, selbst wenn sie nicht meinen persönlichen Vorlieben entsprechen. High-Heels tragen, obwohl ich sie unbequem finde.
  2. Meine Femininität bekämpfen und verstecken.
  3. Den Preis dafür bezahlen, weil ich erst Anfang 20 bin. Dieser Preis scheint zu sein, sich in einer Position zu befinden, in der ich mich als junge Lady verteidigen und beweisen muss.
  4. Anfangen mit Männern zu spielen, weil ich von der lesbischen Subkultur enttäuscht bin – nur Spaß. Ein Grund, warum ich bei dieser Frauen-Veranstaltung im bayerischen Ingolstadt war, ist dass ich von dem sexistischen Blödsinn mit der mich Männer in der Mainstream-Gesellschaft konfrontieren, genervt war. Der Grund dafür ist, dass überwiegend BDSMler mich dafür benutzt haben, ihre eigene Identität auf sexistische Weise zu sichern. Ich weiß, dass es schwierig ist, in einer Männlichkeitsperformance ernst genommen zu werden.

Das krasseste Beispiel dafür war eine kleine Gruppendiskussion in einem Workshop. Sie fragte jeden in der Gruppe nach seinen Erfahrungen mit Co-Topping, nur mich nicht. In den meisten Situationen ist eine derartig ignorante und vorurteilsbeladene Haltung schwieriger auszumachen. Denn es geht nicht um etwas, was die Leute tun, sondern darum was sie nicht tun. Das erste und einzige Mal nach meinem Pronomen gefragt werden, nachdem ich ein Kompliment für meine Bondage-Fähigkeiten bekommen habe.

Es fühlt sich an als wären Kompetenz und Dominanz männlich oder wenigstens genderqueer assoziiert. Das ist in etwa das Gegenargument zu den ersten Erlebnissen. Wenn eine beiläufige, freundliche Femininität nicht dominant und kompetent sein kann, aber das junge Fräulein, das so performt offensichtlich dominant und kompetent ist, dann besser nachfragen – vielleicht sind solche Kontakte ja gar nicht weiblich. Während des Abbaus kam jemand in den Raum, in dem ich mit einer anderen Frau zusammen arbeitete. Ich wurde komplett ignoriert als eine, die keine Aufgaben bewältigen kann, die den Einsatz von Werkzeug erfordern. Die Situation wurde für mich dadurch gelöst, dass die andere Femdom erklärte, dass sie ihre Kompetenz hat, weil sie Handwerkerin ist.

Ich wurde nervös und fühlte mich sehr unter Druck gesetzt. Und damit scheiterte ich nicht nur als Person, sondern als jemand, die feminin ist. Ich fütterte die Vorurteile, die ich zu widerlegen versuchte. Ob ich Probleme habe, in Oberbayern (egal ob München oder Ingolstadt) ein Date zu finden? In Kombination mit einem diffusen Gefühl, unsichtbar und unattraktiv in meiner Femininität zu sein. Nicht weil ich denke, dass ich reizlos bin, sondern weil ich so behandelt werde. Ich vermute, Online-User die nicht den Körpernormen entsprechen, können sich am leichtesten hierein versetzen. Mal wieder ist es schwierig, dieses Problem festzunageln, weil im Wesentlichen darüber funktioniert was Personen nicht tun, statt über direkte Beleidigungen oder Handlungen.

Es fühlt sich für mich so an, als wäre „Androgynität“ (die missverstanden wird als „weiblich zugewiesen plus irgendeine Männlichkeitsperformance“) die kulturelle Norm innerhalb der BDSM-Szene, und Femdoms die dieser Norm nicht entsprechen, werden bestraft, indem sie ignoriert werden. Ich versuche nicht zu sagen, dass irgendjemandes sexuelle Vorlieben falsch sind. Der Punkt ist, dass diese Vorliebe so verdammt dominant ist, und dass das ganz reale Auswirkungen auf diejenigen hat, die dem nicht entsprechen.

Ich denke auch, dass der ganze „Androgynitäts“-Hype einen bitteren Beigeschmack von Misogynie hat. Denn Männlichkeit wird dabei als das Grundlegende, Natürliche gesehen, und Weiblichkeit wird zum anderen gemacht das überwunden oder entfernt werden muss, um authentisch zu werden. Im Versuch festgeschriebene Geschlechterrollen als Gruppe zu überwinden, indem eine derartige Form von Androgynität performt wird, werden komplexere und gebrochene Formen von Femininität unsichtbar gemacht und sozial verunmöglicht.

Definiert als stereotype Femininität, im Gegensatz zur vielfältigen und durchlässigen „Queerness“ und Menschen die feminin performen werden als Opfer ihrer Sozialisation gesehen. Oder im Fall von TS, werden sehr stark kontrolliert, um eine Klischee-Form von Femininität zu performen. Das erste Mal, dass ich auf einer Playparty Komplimente für mein Fetisch-Outfit bekam, war als ich ein schwarzes Leder-Minikleid trug. Ich dachte, das kann doch nicht wahr sein, das waren die langweiligsten Sachen, die ich je getragen hatte.

Um mit einem positiven Ausblick zu verbleiben – ein paar Dinge, die ich mir wünsche

  • Ein Weiblichkeits-Empowerment Workshop.
  • Eine Wiederholung des Frauen-Spielraums.
  • Eine neue Diskussion über Einladungspolitiken. Sie lösen ganz offensichtlich nicht die Probleme von männlicher Dominanz und Sexismus auf der Konferenz.
  • Einige Feminismus-Grundlagen und aufklärende Texte hier im Kontaktportal.
  • Eine Grundhaltung des Fragens, und nicht der Vorannahmen.
  • Vielleicht ein weiteres Fem-Dom-Rollenspiel für Spaß und Sichtbarkeit.
  • Ein Bewusstsein dafür, warum und wann es angebracht ist die Jüngeren zu fragen.

Ich würde mich über Kommentare freuen, wie es möglich ist, damit umzugehen und sich trotzdem als sexy Femdom zu fühlen. Also, schreibt mir eure Nutzer-Erfahrungen. Ich will keine Diskussion darüber, dass ich alles falsch verstanden habe und übersensibel bin. Dies ist, wie ich die Situationen als Jungdomina wahrgenommen habe. Für mich steht keine dieser Situationen alleine, denn sie setzen sich gegenseitig in einen Kontext. Struktureller Sexismus ist darüber definiert, dass in einer Einzelsituation nicht abschließend gesagt werden kann, ob es nur ein Zufall war. Niemand kennt meine Gefühle besser als ich. Keine Absichten und keine Diskussion werden daran etwas ändern.